LANDSTÜCK und HOLUNDERBLÜTE
Zwei Filme von Volker Koepp
Kinowelt Diessen

 

An den beiden gut besuchten Filmabenden stellte der KMV in der Kinowelt Diessen zwei dokumentarische Porträts mit unter-schiedlichen Landschaftsräumen und deren Bewohnern im östlichen Europa vor: hier, die Uckermark (2016) und der Oblast um Kaliningrad (2008). Mit dieser Veranstaltungsreihe wurde der bekannte Dokumentarfilmer Volker Koepp, *1944, vorgestellt.  Zentrales Thema seiner umfangreichen Filmographie sind Porträts vielfältiger Erinnerungsräume vom schwarzen Meer bis an die Ostsee. („Sarmatien“, nach Johannes Bobrowski)

 

LANDSTÜCK:

 

Nach dem Film führten Volker Koepp und Stefan Palme, ein Protagonist des Films, einen lebendigen Dialog mit dem Publikum.

Volker Koepp und Rolf Henke, (Unternehmer und Biolandwirt)
Volker Koepp, Regisseur  –  Rolf Henke, Druckereibesitzer, Biolandwirt, Gut Temmen

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Michael Succow, Agrarwissenschaftler Stefan Palme, Biolandwirt
Michael Succow, Agrarwissenschaftler mit altervativem Nobelpreis  –   Stefan Palme, Biolandwirt, Gut Wilmersdorf

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Volker Koepp:

Mein Ansatz war so, wie ich es immer mache. Ich zeige Menschen, die ich kenne und in irgendeiner Form gern habe. Ich möchte sie gewissermaßen anderen empfehlen. Ich habe erst einmal nicht daran gedacht, dass es ein politischer Film sein könnte. Aber – und das war beim ersten Uckermark-Film noch nicht so – in den letzten zehn, fünfzehn Jahren hat der Aufkauf von großen Landflächen große Ausmaße angenommen. Man kennt es ja international als „Landgrabbing“.

zum RBB-Interview 2016 

Michael Succow:

Diese sogernannte moderne Landwirtschaft produziert nicht mehr aus sich heraus, sondern nur noch mit einer ständig größer werdenden Fremdenergie und das sind Dinge, die nicht mehr durchhaltbar sind auf Dauer.

Stefan Palme:

An den Fenchelpflanzen hier merkt man, welche Pflanzenschutzmittel in der Luft schweben. Die Luft wird in Deutschland jedoch seit 2003 nicht mehr auf seine Schadstoffmittel hin untersucht.

zum Beitrag, Deutschlandfunk 2016

Künstlerin:

Hier haben die Menschen mehr gelernt allein zu sein, durch diese Weite, wo die Häuser so weit voneinander entfernt liegen.

Landwirt, Familie seit Generationen in der Uckermark ansässig:

… Land kaufen geht heute nicht mehr für einen einfachen Menschen.

Landarbeiterin, schon vor, während und nach der DDR-Zeit:

… uns kann hier keiner kaputt kriegen.

(Stills und Zitate, bis auf das erste, sind dem Film „Landstück“ entnommen.)

 

 

HOLUNDERBLÜTE:

 

In seinem freien Vortrag gelang es dem Historiker Dr. Jürgen Zarusky eindrucksvoll die Komplexität historischer und politischer Zusammenhänge zum russischen Teil des ehemaligen Ostpreußens herauszuarbeiten. Verbunden mit Volker Koepps eher poetisch geprägten Filmeindrücken, mit den im Mittelpunkt sich fast selbst überlassenen Kindern in der „überwucherten“, unwiederbringlich zerstörten Kulturlandschaft, enstand ein Spannungsfeld mit viel Stoff für ein anregendes Publikumsgespräch danach.

Volker Koepp:

Wir benutzten nicht das übliche Frage-Antwort-Schema, sondern setzten uns mit den Kindern irgendwo hin und dann haben sie einfach zu erzählen angefangen. Wir mussten kaum noch in die Gespräche eingreifen … Das ist also keine Erfindung des Films, sondern Realität, dass die Eltern der Kinder oft abwesend waren. Bei der Familie mit zehn Kindern etwa sind wir deren Eltern erstmals nach mehr als zwei Wochen begegnet. Und wenn die Kinder dann so mit 15 bis 16 Jahren erwachsen werden, ist das eine Katastrophe, denn es gibt in dieser Gegend keine Arbeit, es existiert so gut wie keine Landwirtschaft …

Im zugrunde liegenden Gedicht des in Tilsit geborenen Lyrikers Johannes Bobrowski geht es um das Vergessen der deutschen Schuld an der Ermordung der Juden. Der Märchenerzähler Hans-Christian Andersen verbindet den Holunder mit der Erinnerung: Du musst dich erinnern und erzählen, denn solange man sich an jemanden erinnert und über ihn spricht, solange ist er nicht gestorben. In der Mythologie steht der Holunder für den Frühling, das Aufbrechen, das Leben, zugleich ist er ein Friedhofsgewächs. Er steht also für Hoffnung und Leben genauso wie für den Tod. Ursprünglich hatte ich Bobrowskis Gedicht im Sinn, das für den Film aber nicht richtig passte – wohl aber die allgemeine Bedeutung von Holunder.

zum Interview, Filmfest München 2008

Dr. Jürgen Zarusky:

Dr Jürgen Zarusky, Chefredakteur der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte am IFZ
Dr Jürgen Zarusky, Chefredakteur der Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte am IFZ

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Literaturempfehlungen:

Per Brodersen: Die Stadt im Westen. Wie Königsberg Kaliningrad wurde. Göttingen 2008.

Andreas Kossert: Ostpreußen Geschichte und Mythos. München: Pantheon 2007

Bert Hoppe: Auf den Trümmern von Königsberg. Kaliningrad 1946-1970. München: Oldenbourg Verlag 2000.

zur Buchbesprechung

Andreas Wirsching/Jürgen Zarusky/Alexander Tschubarjan/Viktor Ischtschenko (Hg.): Erinnerung an Diktatur und Krieg. Brennpunkte des kulturellen Gedächtnisses zwischen Russland und Deutschland seit 1945. München: DeGruyter Oldenbourg 2015.

(Darin Beiträge zu Königsberg/Kaliningrad des deutschen Historikers Bert Hoppe und des russischen Historikers Valerij gal’cov)